Wenn Unternehmen von derart zerstörerischen Flutkatastrophen, wie wir sie dieses Jahr vor allem in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz erleben mussten, betroffen sind, dann rücken zuallererst existenzielle Sorgen wie die eigene Unversehrtheit und die der Familie in den Vordergrund. Erst später spielen die durch das Hochwasser verursachten finanziellen Schäden eine Rolle, die aber langfristig nicht minder existenzbedrohend sein können.
Ein weiteres großes Problem, das häufig auf Onlinehändler zukommt, ist in der Naturkatastrophe zerstörte wichtige steuerliche Unterlagen oder Dokumente für die Buchhaltung, die unwiederbringlich verloren gegangen sind.
Was Sie tun können, um in einer solchen Ausnahmesituation trotzdem Ihren gesetzlichen Dokumentations- und Aufbewahrungspflichten in angemessener Art und Weise nachzukommen, erfahren Sie in diesem Beitrag.
Bestandsaufnahme der verloren gegangenen Dokumente
Während Onlinehändler durch eine Naturkatastrophe verloren gegangene Inventar- und Lagerbestände bei Totalverlust steuerlich gewinnmindernd abschreiben können, ist der Verlust von wichtigen Buchhaltungsunterlagen oder steuerlich relevanten Dokumenten meist viel komplizierter. Deshalb ist Eile geboten, um zeitnah in einer Bestandsaufnahme festzustellen, welche physisch aufbewahrten oder elektronisch gespeicherten Dokumente nicht mehr vorhanden sind.
Bei wichtigen Dokumenten aus umsatzsteuerlicher oder Zollsicht können Sie sich meist direkt an den Rechnungs- oder Dokumentenersteller wenden und eine Kopie oder Zweitschrift anfordern.
Was Sie bei verloren gegangenen Buchhaltungsunterlagen tun sollten?
Wurden Buchhaltungsunterlagen unwiederbringlich zerstört und können deshalb bei einer Betriebsprüfung nicht vorgelegt werden, kann das zu Schätzungen durch die Finanzbehörde führen, die in der Regel eher nicht zu Ihren Gunsten ausfallen. Um das von Anfang an zu vermeiden, ist Eile geboten.
Zuallererst sollten Sie sich direkt mit Ihrem Steuerberater in Verbindung setzen. Zum einen können Sie mit ihm die nächsten wichtigen Schritte zur Beschaffung wichtiger Dokumente besprechen. Zum anderen hat der Steuerberater eventuell sogar noch Unterlagen, die Sie benötigen.
Sind die buchhalterisch wichtigen Dokumenten nicht mehr auffindbar, sollten Sie zeitnah Rechnungskopien oder Zweitschriften anfordern oder – falls das nicht möglich ist – aussagekräftige Eigenbelege erstellen. Diese werden in der Regel beim nachweislichen Verlust durch Naturkatastrophen durch das Finanzamt anerkannt.
Haben Sie Dokumente auf elektronischen Speichermedien gesichert und diese wurden beschädigt, können diese Unterlagen unter Umständen von Spezialisten noch gerettet werden. Ihre örtliche IHK kann Ihnen bei der Suche nach geeigneten Anbietern behilflich sein.
Vermeidung steuerlicher Nachteile durch unwetterbedingte Verluste
Zur Abmilderung unbilliger Härten beim unwetterbedingten Verlust der Buchführungsunterlagen hat die Oberfinanzdirektion NRW mit Schreiben vom 16.07.2021 (AZ. 1915 – 6/48 – V A 3) festgelegt, dass Betroffenen keine steuerlichen Nachteile entstehen sollen. Die Unwetter der vergangenen Jahre haben hier bereits gezeigt, dass das in den meisten Fällen “großzügig” auszulegen ist. In diesem Punkt haben Onlinehändler außerdem den großen Vorteil, dass sie ausnahmslos elektronische Aufzeichnungsgeräte benutzen, bei denen entweder alle Bewegungsdaten oder zumindest Anfangs- und Enddaten gegeben sind (Bankbestände, PayPal Bestände, Kreditkartenbestände etc.). Somit lässt sich immerhin die Buchhaltung rekursiv aufbereiten und nachvollziehen.
Im gleichen Schreiben weist die Oberfinanzdirektion außerdem darauf hin, dass Betroffene schnell reagieren sollen. Neben der bereits erwähnten Kontaktaufnahme mit dem Steuerberater und dem Finanzamt sollten entstandene Schäden umgehend dokumentiert und die Verluste nach Möglichkeit direkt benannt werden.
Rücklage für Ersatzbeschaffung für Wirtschaftsgüter des Anlage- und Umlaufvermögens
Um Unternehmen den Ersatz von Wirtschaftsgütern des Anlage- und Umlaufvermögens, die Opfer höherer Gewalt wurden, zu erleichtern, gibt es die Rücklage für Ersatzbeschaffung (R 6.6 EStR – Übertragung stiller Reserven bei Ersatzbeschaffung).
Damit eine über den Buchwert liegende Kompensationen von Versicherungen nicht noch ertragsteuerlich berücksichtigt werden muss, kann eine Gewinnrealisierung durch Aufdeckung stiller Reserven vermieden werden, wenn ein Wirtschaftsgut des Anlage- oder Umlaufvermögens aufgrund höherer Gewalt oder infolge oder zur Vermeidung eines behördlichen Eingriffs gegen eine Entschädigung aus dem Betriebsvermögen ausscheidet und alsbald ein funktionsgleiches Ersatzwirtschaftsgut angeschafft wird (siehe dazu auch BFH, Urteil v. 29.4.1999, IV R 7/98, BStBl 1999 II S. 488). Die Voraussetzungen dafür sind – neben den bereits erwähnten Punkten des Ausscheidens aufgrund höherer Gewalt – außerdem die fristgerechte Anschaffung eines Ersatzwirtschaftsguts und das Führen eines besonderen laufenden Verzeichnisses.
Die Frist dafür beträgt eigentlich ein Jahr, kann aber im Einzelfall „angemessen“ und bis zu vier Jahren verlängert werden. Der Steuerpflichtige muss aber glaubhaft machen, dass die Ersatzbeschaffung noch ernsthaft geplant und zu erwarten ist, aus besonderen Gründen bislang aber noch nicht durchgeführt werden konnte.
Praxisbeispiel
Ein zum Betriebsvermögen gehörender PKW mit einem Buchwert von 10.000 € wird im Zuge höherer Gewalt zerstört. Die Versicherung erstattet einen Zeitwert von 20.000 €. Um die 10.000 € stillen Reserven, die sich aus der Differenz von Zeitwert zu Buchwert ergeben, nicht versteuern zu müssen, können diese auf die Anschaffung des Ersatzwirtschaftsgutes übertragen werden. Allerdings reduziert sich im Zuge dessen jedoch die Abschreibung für Abnutzung.
Wie sieht die steuerliche Behandlung von Sachspenden aus?
Aufgrund der Aktualität der Ereignisse abschließend noch ein kleiner Exkurs zum Thema Sachspenden: Erfolgten die unentgeltlichen Zuwendungen im Zeitraum vom 15.07. – 31.10.2021 aus einem Unternehmen, wird auf eine Besteuerung als Entnahme im Sinne des § 3 Abs. 1b UStG verzichtet, wenn es sich bei den Entnahmen um:
- Lebensmittel oder Tierfutter,
- für den täglichen Bedarf notwendige Güter (insbesondere Hygieneartikel, Reinigungsmittel, Kleidung, Geschirr oder medizinische Produkte) oder
- zur unmittelbaren Bewältigung des Unwetterereignisses sachdienliche Wirtschaftsgüter (z.B. Pumpen, Werkzeug, Maschinen, usw.)
handelt und diese nachweislich unmittelbar von der Flutkatastrophe Betroffenen zugutekommen.
Sollten Unternehmer zum Zwecke der unentgeltlichen Weitergabe an Menschen in den betroffenen Gebieten derartige Waren kaufen, wird aus Billigkeitsgründen unter den weiteren Voraussetzungen des § 15 UStG der Vorsteuerabzug gewährt.
Fazit: Schnelles Handeln kann negative Folgen verhindern, die Digitalisierung der Buchhaltung zukünftigen Problemen vorbeugen
Wer wegen höherer Gewalt wichtige Steuer- oder Buchhaltungsunterlagen verloren hat, sollte schnell handeln, um notwendige Unterlagen als Kopie bzw. Zweitschrift zu beschaffen oder Verluste von unwiederbringlichen Dokumenten und Aufzeichnungen nachvollziehbar dokumentieren. Parallel dazu sollte der Kontakt zum Steuerberater und den zuständigen Behörden gesucht werden, um dadurch die Chancen zu erhöhen, dass keine negativen Steuerfolgen entstehen.
Für den – hoffentlich nie eintretenden – Fall ähnlicher Ereignisse von höherer Gewalt können Sie die oben beschriebenen Probleme vermeiden, indem Sie Ihre Buchhaltung digitalisieren. Zum einen sind dann immer alle wichtigen Dokumente „auf Knopfdruck“ verfügbar, zum anderen sparen Sie sich damit jede Menge Aufwand für die Dokumentensuche und -wiederbeschaffung.
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Mein Name ist Christian Deák, Steuerberater und
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