Wird in Deutschland ein Unternehmen gegründet, übernommen oder geschlossen, muss eine Inventur durchgeführt werden. Die gleiche Pflicht obliegt Kaufleuten zum Ende eines jeden Geschäftsjahres, um ihren Pflichten im Rahmen einer ordnungsgemäßen Buchführung nachzukommen.
Bei der Inventur werden alle vorhandenen Bestände zu einem Stichtag mengen- und wertmäßig in einem Bestandsverzeichnis (Inventurliste) erfasst. Damit ist die Inventur nicht nur eine nach Handelsgesetzbuch (HGB) und Abgabenordnung (AO) vorgeschriebene Pflicht, sondern auch ein wichtiges Kontrollinstrument für Unternehmen, um mögliche Differenzen zwischen Soll- und Ist-Beständen zu entdecken und sich ein genaues Bild über die eigene Vermögenslage zu machen.
Wie wichtig dabei eine korrekt durchgeführte Inventur für ein Unternehmen sein kann, haben zuletzt erst Meldungen über nicht erkannte Metalldiebstähle im dreistelligen Millionenbereich bei einem großen deutschen Kupferproduzenten gezeigt (Stichwort: Aurubis).
Je nach Unternehmensstruktur können verschiedene Methoden der Inventur zum Einsatz kommen. Im folgenden Beitrag stellen Ihnen die verschiedenen Arten ausführlich vor und erklären Ihnen neben Verwendungszweck auch die Vor- und Nachteile der jeweiligen Alternativen.
Definition: Was genau ist eine Inventur?
Inventur stammt vom lateinischen „invenire“ ab und bedeutet in etwas so viel wie „auf etwas stoßen“ oder „etwas finden“.
Das beschreibt den Prozess einer Inventur bereits ziemlich gut, denn dabei handelt es sich um eine körperliche und buchmäßige Bestandsaufnahme aller Vermögensgegenstände und Schulden eines Unternehmens zu einem bestimmten Stichtag.
Die körperliche Bestandsaufnahme kann durch Messen, Wiege, Zählen oder Schätzen der Bestände im Unternehmen erfolgen. Die buchmäßige Bestandsaufnahme durch vorhandene Hilfsbücher kann die Inventur zwar erleichtern, ersetzt aber nicht die körperliche Inventur. Denn nur mit dieser können tatsächliche Fehlbestände, z. B. aufgrund von Diebstahl, Schwund oder Berechnungsfehler, aufgedeckt werden.
Das Ergebnis der Bestandsaufnahme wird im Inventar dokumentiert.
Warum wird eine Inventur durchgeführt?
Zum einen sind da die gesetzlichen Anforderungen, die die Durchführung einer Inventur regeln. In § 240, Abs. 1 HGB wird gefordert, dass:
jeder Kaufmann zu Beginn seines Handelsgewerbes seine Grundstücke, seine Forderungen und Schulden, den Betrag seines baren Geldes sowie seine sonstigen Vermögensgegenstände genau zu verzeichnen und dabei den Wert der einzelnen Vermögensgegenstände und Schulden anzugeben hat.
Außerdem legt Abs. 2 des gleichen HGB-Paragraphen fest, dass:
demnächst für den Schluss eines jeden Geschäftsjahrs ein solches Inventar aufzustellen ist. Die Dauer des Geschäftsjahrs darf zwölf Monate nicht überschreiten.
Eine ordnungsgemäß durchgeführte Inventur ist außerdem eine wichtige Voraussetzung für die Erfüllung der Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung.
Doch die Durchführung einer Inventur ist weitaus mehr als nur eine gesetzliche Pflicht und damit notwendiges Übel. Korrekt durchgeführt, hat sie auch eine wichtige Kontrollfunktion im Unternehmen. Denn mit ihr werden durch den Soll- Ist-Vergleich nicht nur tatsächliche Bestände mit dem buchhalterisch erfassten Bestand abgeglichen. Die bei einer Inventur gefunden Differenzen bzw. Abweichungen in den Beständen sind auch ein sehr wichtiger Hinweis auf mögliche Schwachstellen in der Prozess- und Kontrolllandschaft eines Unternehmens und können auf Fehler in der Buchhaltung oder kriminelle Handlungen wie Diebstahl oder Veruntreuung hinweisen. Fehler, die ohne die Bestandsaufnahme möglicherweise nicht aufgefallen wären.
Vor allem bei Unternehmen mit großen Lagerbeständen und einer hohen Lagerumschlagshäufigkeit empfiehlt es sich, wenn Bestände nicht nur obligatorisch am Jahresende geprüft, sondern kontinuierlich überwacht werden (beispielsweise im Rahmen der weiter unten vorgestellten permanenten Inventur).
Wann muss die Inventur durchgeführt werden?
Was die regelmäßige Inventur im Rahmen der Jahresabschlusserstellung betrifft, ist § 240 Abs. 2 hier sehr eindeutig und legt fest, dass ein Inventar zum Schluss eines jeden Geschäftsjahres, also dem Bilanzstichtag, aufzustellen ist. Weicht das Geschäftsjahr eines Unternehmens nicht vom Kalenderjahr ab, dann ist das meist der 31.12.
Auch die Dauer des Geschäftsjahres ist mit maximal 12 Monaten geregelt. Als Zeit für die Erstellung des Inventars räumt das Gesetz dem Unternehmer eine innerhalb der einem ordnungsmäßigen Geschäftsgang entsprechende Zeit ein.
Zur Art und Weise der Durchführung wird in Abs. 3 von § 240 bestimmt, dass:
in der Regel alle drei Jahre eine körperliche Bestandsaufnahme durchzuführen ist.
Zur Erleichterung bei der Durchführung können gleichartige Vermögensgegenstände des Vorratsvermögens sowie andere gleichartige bewegliche Vermögensgegenstände und Schulden zu einer Gruppe zusammengefasst und mit Durchschnittswerten angesetzt werden.
Sonderfälle, die ebenfalls die Durchführung einer Inventur und die Aufstellung eines Inventars notwendig machen, sind z.B.:
- Unternehmensgründungen: Hier muss ein Anfangsinventar erstellt werden, das auch Bestandteil der Eröffnungsbilanz ist und einen Überblick über die Vermögenswerte zum Gründungszeitpunkt gibt.
- Unternehmenskauf oder -verkauf: Hier wird das Inventar benötigt, um im Rahmen der Kaufpreisermittlung den genauen Wert des Unternehmens zu bestimmen.
- Insolvenz: Ein Inventar wird hier benötigt, um die genauen Vermögenswerte und die Insolvenzmasse zu bestimmen, mit denen Ansprüche von Gläubigern befriedigt werden können.
Welche Inventurarten gibt es?
Es gibt verschiedene Arten, wie eine Inventur durchgeführt werden kann. Die bekannteste und am häufigsten verwendete Methode ist die Stichtagsinventur, die – wie der Name schon sagt – am oder knapp um den Bilanzstichtag durchgeführt wird.
Stichtagsinventur
Bei der Stichtagsinventur werden an einem bestimmten Stichtag, in der Regel dem Bilanzstichtag, die Bestände des Unternehmens körperlich aufgenommen.
Die Stichtagsinventur kann in der Form einer:
- Körperlichen Inventur,
- Buchinventur oder
- Anlageninventur
durchgeführt werden.
Bei der körperlichen Inventur wird das Inventar mengenmäßig durch Zählen, Wiegen, Messen oder Schätzen erfasst. Das betrifft vor allem Waren- und Materialbestände. An der körperlichen Inventur beteiligt sich meist das gesamte Unternehmen, weshalb für die Zeit der Inventur das operative Geschäft häufig ruht.
Die Buchinventur erfasst alle immateriellen Vermögensgegenstände und Schulden auf Basis buchhalterischer Aufzeichnungen (Belege, Quittungen etc.). Häufig spricht man hier auch von der Beleginventur.
Bei der Anlageninventur wird das bewegliche Sachanlagevermögen wie Maschinen, Geräte oder die Betriebs- und Geschäftsausstattung erfasst. Grundlage dafür ist das Anlageverzeichnis, das mit den tatsächlich vorhandenen Anlagen abgeglichen wird.
Zeitnahe Stichtagsinventur
Eine besondere Form der Stichtagsinventur ist die sogenannte zeitnahe Stichtagsinventur. Bei dieser wird dem Unternehmen ein zeitlicher Spielraum von 10 Tagen um den Inventurstichtag eingeräumt. Das kann beispielsweise bei großen Unternehmen ein praktikabler Fall sein, da dort der Zeit- und Personalaufwand zur Durchführung der Inventur sehr groß ist.
Permanente Inventur
Bei der permanenten Inventur – aufgrund der Art und Weise der Durchführung häufig auch als fortlaufende Inventur bezeichnet – erfolgt die Überprüfung des Bestandes kontinuierlich über das gesamte Jahr hinweg.
Die permanente Inventur eignet sich damit besonders gut als zusätzliches Kontrollinstrument im Unternehmen, da die Bestandskontrolle fortlaufend erfolgt und das Unternehmen damit jederzeit den vollständigen Überblick über seine Bestände hat. Nachteil der Methode ist allerdings der große Zeitaufwand, weshalb diese Form meist nur in größeren und materialintensiven Unternehmen zum Einsatz kommt. Für Klein- und Mittelständler, die nur über geringe Bestände verfügen und damit das resultierende Risiko durch Fehlbestände überschaubar ist, ist diese Inventurform überdimensioniert.
Stichprobeninventur
Als ein Inventurvereinfachungsverfahren gilt die Stichprobeninventur (Teilerhebung), geregelt in § 241 Abs. 1 HGB. Während bei einer Stichtagsinventur alle Vermögensgegenstände und Schulden zum Stichtag in Form einer Vollinventur erfasst werden, werden bei der Stichprobeninventur nur Stichproben der Bestände genommen. Auch die Stichproben werden dabei körperlich durch Zählen, Wiegen, Messen oder Schätzen ermittelt.
Damit die Stichprobeninventur ebenfalls die Grundsätze einer ordnungsgemäßen Buchführung erfüllt, werden die erfassten Teilmengen anschließend mit einem anerkannten mathematisch-statistischen Verfahrenhochgerechnet, um so den Gesamtbestand zu ermitteln.
Neben der anerkannten mathematisch-statistischen Berechnungsmethode, der Erfüllung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung und der körperlichen Bestandsaufnahme muss das Unternehmen außerdem über eine Lagerbuchführung verfügen, die Bestände nach Art, Menge und Wert fortlaufend erfasst. Das geschieht in der Regel mit einem EDV-gestützten Lagersystem.
Eine Stichprobeninventur findet häufig Anwendung in großen Unternehmen mit großem Lager, da es den Aufwand im Vergleich zur Vollinventur reduziert.
Verlegte Inventur
Die verlegte Inventur ist ein weiteres Inventurvereinfachungsverfahren, das es in Form der vorverlegten und nachverlegten Inventur gibt und das in § 241 Abs. 3 HGB geregelt ist. Hier wird dem Kaufmann eingeräumt, dass er die Inventur innerhalb der letzten drei Monate vor oder innerhalb der nächsten zwei Monate nach dem Stichtag durchführt. Das setzt aber voraus, dass ein entsprechendes Fortschreibungs- oder Rückrechnungsverfahren für diesen Zeitraum vorhanden ist, sodass der Bestand zum Stichtag ordnungsgemäß bewertet werden kann.
Die verlegte (bzw. zeitverschobene) Inventur findet häufig Anwendung, wenn Unternehmen aufgrund sehr großer Bestände nicht in der Lage sind, die Stichtagsinventur zeitnah durchzuführen.
Fazit: Die Wahl der richtigen Inventur
Mit einer korrekt durchgeführten Inventur erfüllen Unternehmen nicht nur die gesetzlichen Anforderungen oder die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung, sondern schützen darüber hinaus ihre Vermögenswerte und stellen zudem sicher, dass der Jahresabschluss ein wahres und faires Bild der finanziellen Lage des Unternehmens widerspiegelt. Ein solides Inventursystem kann somit als Frühwarnsystem für Unternehmer dienen und ihnen helfen, potenzielle Probleme frühzeitig zu erkennen und zu beheben.
Sollten Sie bei der Wahl der passenden Inventurmethode oder der Durchführung Hilfe benötigen, dann sprechen Sie uns einfach an! Wir unterstützen Sie gern.
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